Autorin: Britt Launspach

Ich war um die neun Jahre alt, als ich verstand, dass Sprache Menschen ein- und ausschließt. „Du behinderte Kuh“, knallte ich meiner kleinen Schwester an den Kopf. Als mich meine Mutter daraufhin zur Seite nahm und mir die volle Konsequenz dieses Satzes aufzeigte, fühlte ich nur noch Scham. „Dein Papa hat eine Behinderung“, sagte sie. „Und du benutzt das als Beleidigung.“

Mein Vater ist blind. Die Behinderung schlich langsam in unser Leben, als meine Schwester und ich gerade zur Grundschule gingen. Worte bekamen von da an einen anderen Stellenwert – gesprochene, aber auch geschriebene. Denn am Ende waren sie es, an denen mein Vater sich in den vielen Jahren, die danach folgten, orientierte und die ihm manchen kostenbaren Moment der Selbstständigkeit und der Unabhängigkeit schenkten. Zum Beispiel weil er dank Sprach-Software über Webseiten navigieren konnte – sofern diese barrierefrei waren.

Warum brauchen wir inklusive Sprache?

Sprache hat die Macht Menschen ein- und auszuschließen. Und Realitäten zu formen. Denn die Art und Weise, wie wir welche Worte verwenden, wie wir Sprache einsetzen, ist ein Abbild unserer Denk- und Verhaltensmuster – und der unserer Gesellschaft. Sprache beeinflusst unser Bewusstsein und wie wir unsere Welt wahrnehmen. Sie entblößt unsere Vergangenheit, beeinflusst die Gegenwart und bietet die Chance Veränderungen in der Zukunft voranzutreiben. Sprechen ist Handeln und genau aus diesem Grund sollten wir uns unseres sprachlichen Handelns bewusst werden. In einer Welt, in der wir nach Gleichberechtigung streben und einer Gesellschaft, die immer vielfältiger wird, ist inklusive Sprache deswegen unabdingbar. Das gilt für uns als Privatpersonen, aber vor allem auch für die Arbeitswelt und die Strukturen sowie die Kommunikation innerhalb von Organisationen.

Aber was ist inklusive Sprache genau?

Inklusive Sprache meint einen Sprachgebrauch, durch den alle Menschen gleichberechtigt einbezogen werden. Inklusive Sprache soll darum geschlechtergerecht, diskriminierungsfrei und verständlich sein.

Geschlechtergerechte Sprache

  • Das Einbeziehen aller Geschlechter – durch die Verwendung neutraler Formen (z. B. „Studierende“, statt „Studenten“) und/oder Sonderzeichen „Sänger*innen“
  • Auch: Gendern – Der Einsatz von geschlechtergerechter Sprache ist in unserer Gesellschaft kontrovers und wird auf jeden Fall am emotionalsten geführt.
  • Gendern zeigt nicht nur die Inklusion für alle Geschlechter, sondern kann auch stereotype Geschlechterrollen aufbrechen.

> Mehr zum Gendern (inkl. Gender-Wörterbuch)

Diskriminierungsfreie bzw. -sensible Sprache

  • Sichtbarmachen und Vermeiden von Bezeichnungen und Aussagen, die Menschen z. B. aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts, ihrer Ethnie, Religion, einer Behinderung, ihres Alter oder sozialen Status‘ diskriminieren
  • In diesem Kontext auch oft: Anti-rassistische Sprache, die Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte und den bis heute andauernden kolonialen Strukturen erfordert – inkl. dem eigenen Weißsein als dominanter privilegierten Position; Anti-rassistische Sprache bezieht sich nicht nur auf die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung bestimmter Ausdrücke (z. B. „Farbige“ für „People of Colour“, „Indianer“ für „Indigene“ oder „Zigeuner“ für „Sinti und Roma“), sondern schließt auch alltagsrassistisches Verhalten ein:
    o Vereinfachung der Sprache im Gespräch mit einem Menschen, bei dem ein Migrationshintergrund vermutet wird
    o Generell: Pauschales Ziehen von Schlüssen bei Menschen, bei denen ein Migrationshintergrund vermutet wird („Wo kommst du her?“, „Du sprichst aber gut Deutsch!“ als pauschale Schlussfolgerung, dass das Gegenüber nicht aus Deutschland kommt – hierdurch wird der angesprochene Mensch automatisch zum „Anderen“ gemacht und ausgeschlossen)
    o Pauschalisierungen und Verwenden von Stereotypen (z. B. „Asiaten vertragen alle kein Alkohol.“)
    o Exotisieren** und Objektifizieren (z. B. ungefragtes Anfassen von Afro-Haaren, „Schoko-Baby“ als Bezeichnung eines Babys of Colour)
  • Die Auseinandersetzung mit diskriminierungssensibler Sprache ist vermutlich die unbequemste Auseinandersetzung inklusiven Handelns und ein absolutes Muss jeglicher Bemühungen um Gleichberechtigung und gelebter Diversität.

> Glossar und Checkliste für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch

Verständliche Sprache (Einfache Sprache)

  • Übersetzung komplexer Texte (gesprochen/geschrieben) in vereinfachte Sprache, um Menschen z. B. mit Lern- oder Lese-Schwierigkeiten, geringen Deutsch-Kenntnissen, älteren oder kranken Menschen den Zugang zu Informationen zu erleichtern/ermöglichen
  • Maßnahmen für eine einfache Sprache sind z. B.: Verzicht auf komplexen Satzbau, Verzicht auf Fremdwörter und Fachausdrücke, klare Textstruktur
  • Zu unterscheiden von „leichter Sprache“: Für Menschen mit einer geistigen Behinderung oder kognitiven Einschränkung, bei der Texte noch stärker vereinfacht werden – z. B. durch eine starke Vereinfachung des Inhalts

> Mehr über einfache und leichte Sprache

Wie schaffen wir es, dass inklusive Sprache mehr und mehr in unsere Kommunikation einzieht?

Auch wenn Sprache eher einem Werkzeugkasten zur sprachlichen Einbeziehung aller Menschen entspricht: Um inklusiv zu sprechen, müssen mitunter Bezeichnungen aus unserem Wortschatz getilgt und ersetzt werden. Das erfordert: Neulernen und Umdenken. Und das ist anstrengend und unbequem. Denn oft werden wir dabei auch damit konfrontiert, dass unsere Sprache zum Beispiel diskriminierend ist – ohne, dass wir es beabsichtigen. Eine häufige Reaktion: Widerstand.

„So hab ich das doch gar nicht gemeint.“
„Sind wir heute empfindlich.“
„Darf ich denn jetzt gar nichts mehr sagen?“
„Das war doch schon immer so.“
„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“

Das ist nur ein Auszug von Reaktionen, die folgen, wenn Menschen auf ihr sprachliches Handeln und die Konsequenz dessen hingewiesen werden.

Die gute Nachricht: Sprache ist schon immer im Wandel gewesen. Manche Worte sind komplett aus unserem Wortschatz verschwunden, andere haben sich etabliert. Oder wer verwendet in seiner Alltagssprache noch „Maid“ zur Ansprache einer jungen Frau? Dagegen sind Bezeichnungen wie Laptop oder aber auch Booster-Impfung etabliert. By the way: Alleine durch die Corona-Pandemie hat sich ein riesiger neuer Wortschatz gebildet (siehe OWID). Inklusive Sprache durch bewusstes Weglassen z. B. von diskriminierenden Bezeichnungen zu fördern, ist daher machbar.

Sprich: Jede*r kann bei sich selbst anfangen. Wir müssen anfangen unsere eigene Sprache zu hinterfragen, zuhören und lernen, welche Konsequenz unser sprachliches Handeln hat. Dazu gehört im Zweifel auch das Gegenüber direkt zu fragen, mit welcher Zuschreibung es sich identifiziert. Dazu gehört aber auch als gutes Beispiel vorwegzugehen und das Umfeld auf ausschließendes Sprachverhalten hinzuweisen. Dazu gehören Mut und ein langer Atem. Denn inklusives Sprechen ist ein Prozess und ein tägliches Lernen. Fehler gehören dazu. Wichtig ist, dass wir uns auf den Weg machen.

Und für alle Organisationen, die inklusives Handeln im Rahmen ihrer Diversity-Bemühungen auf den Plan rufen wollen: Bietet Aufklärung und Orientierung, z. B. mit

  • Regelmäßigen Coachings und Schulungen (v. a. zu anti-rassistischer Sprache)
  • Klaren Entscheidungen zum Einsatz geschlechtergerechter Sprache
  • Leitfäden für inklusive Sprache
  • Aufbau von Arbeitsgruppen innerhalb der Organisation und der Unterstützung von Communities
  • Angeboten in einfacher (und leichter) Sprache.

Aber fangt vor allem an inklusive Sprache konsequent in eurer Kommunikation einzusetzen!

So können wir dabei helfen:

  • Strategisches Vorgehen: Wie positioniert ihr euch als Unternehmen mit Blick auf inklusive Sprache und welche Leitplanken wollt ihr eurer Kommunikation geben?
  • Status-Analyse eurer Bestandskanäle und -inhalte: Wie inklusiv ist eure Sprache?
  • Maßnahmen zur Optimierung: Was solltet ihr angehen, um die Sprache auf euern Bestandskanälen inklusiver zu gestalten?
  • Prozess-Empfehlungen: Welche Prozesse machen in eurer Organisation Sinn, damit inklusive Sprache konsequent in eurer internen und externen Kommunikation einzieht?
  • Erstellen von Richtlinien und Leitfaden: Welche Regeln wollt ihr für einen konsequenten Einsatz einführen? Wir helfen euch beim Formulieren von Leitfäden, die eure Kolleg*innen im Alltag unterstützen.

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„Oh nein, wie süß! Ein Schoko-Baby!!***“ Diesen freudigen Ausruf durfte ich mir im ersten Jahr nach der Geburt meines Sohnes des Öfteren anhören. Mein Kind ist ein sogenanntes Mixed Kid, mein Mann ist Schwarz****, ich bin weiß.

Vermutlich wird mein Sohn sich weniger ungleich behandelt und ausgegrenzt fühlen als sein Vater. Weil er nicht ganz so oft an den Türen deutscher Diskotheken abgewiesen wird.

Weil er sich nicht anhören muss, dass er doch sicher Rhythmus im Blut habe, von Natur aus in Deutschland ständig frieren müsse, sein Körperbau nicht auf Fitness zurückzuführen sei, sondern auf Gene – weil er ja „Afrikaner“ (weil Schwarz) sei. Weil seine Tasche nur einmal als einzige besonders gründlich im Kaufhaus oder am Flughafen gefilzt wurde.

Fest steht: Er wird mit rassistischem Verhalten konfrontiert werden. Auch wenn das vielleicht in vielen Fällen „nicht so gemeint“ war. Wenn er zum Beispiel „Mulatte“ genannt oder nach seiner Herkunft gefragt wird. Wenn bei Konflikten in irgendeinem Land in Afrika automatisch die Blicke in der Schule, der Uni, der Ausbildung, dem Job, an der Bar zu ihm wandern und er aufgefordert wird, sich zu X, Y, Z zu äußern. Ich werde mein Kind nicht vor Diskriminierung schützen können. Und ich fürchte mich bereits vor den Momenten, in denen er sich durch das Verhalten anderer als Fremder in seinem eigenen Land fühlt. Ich kann mein Kind nicht vor Menschen schützen, die bewusst oder unbewusst andere Menschen abwerten. Ich kann aber mithelfen, dass seine Umgebung immer achtsamer im Umgang mit Sprache wird – und seine Realität dank Sprache inklusiver.


*Als „Inklusion“ wird häufig der Diskurs um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Verbindung gebracht. Tatsächlich gibt es jedoch keine verbindliche Definition von „Inklusion“ (siehe Bundeszentrale für politische Bildung). In diesem Artikel wird „Inklusion“ entsprechend für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen verwendet.

*„Exotisieren“ ist Teil eines alltagsrassistischen Verhaltens. „Exotisieren“ wurde als Mittel während des Kolonialismus eingesetzt, um das „Andere“ / „das Fremde“ zu mystifizieren und von einem „Normalen“ / „Natürlichen“ zu differenzieren. Exotisierendes Verhalten ist demnach ausgrenzend und nicht weniger herabwürdigend als direktes rassistisches Verhalten.

**Bei der Verwendung der Bezeichnung „Schoko-Baby“ für Babys of Colour werden die bezeichneten Menschen objektifiziert. Die Objektifizierung ist ein Mittel des Kolonialismus. Die Bezeichnung reproduziert in ihrer Verwendung entsprechend Rassismus.

***Schwarz wird hier bewusst mit großem „S“ verwendet, da es als politischer Begriff verwendet wird, der nicht die Hautfarbe, sondern das ungleiche Machtverhältnis beschreibt.


Lese- und Hör-Tipps:

Übergreifend:

Artikel über Sprache und Ungleichheit

Ein tolles Beispiel für einen Leitfaden zur inklusiven Sprache:

Leitfaden „Inklusive Sprache“ von Amnesty International (CH)

Mehr zur geschlechtergerechten Sprache:

Geschlechtergerechtigkeit und Sprachwandel aus Sicht der Historischen Soziolinguistik

Rund um Rassismus und rassismuskritischen Sprach-Gebrauch:
Podcast „Exit Racism“ (Perfekt für Einsteiger*innen)

Glossar und Checkliste für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch

Glossar der neuen Medienmacher für einen kritischen Sprachgebrauch rund um Einwandersungsgesellschaft

Zur einfachen und leichten Sprache:

Artikel mit Einordung „Einfache Sprache“ und „Leichte Sprache“


Bildquellen:

Foto von Jean-Baptiste Burbaud: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-in-weissem-hemd-und-jeans-tragt-skateschuhe-und-einkaufstasche-1998251/

Foto von Keira Burton: https://www.pexels.com/de-de/foto/liebe-frau-niedlich-gesichtslos-6623870/Sprache Macht Emotionen


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