Autorin: Alexandra van Hall

Von Fairtrade-Siegeln bis zu grün gefärbten Etiketten – die Produkte reihen sich in 50 Shades of Green in den Regalen der DMs, Rewes und Edekas dieses Landes. Sie rufen “Kauf mich, ich bin bio. Öko. Vegan. Fairtrade. Nachhaltig!”

Unser Handeln hat Einfluss darauf, wie lange es noch dauern wird, bis wir uns selbst wegkonsumiert und die Welt heruntergewirtschaftet haben. Das scheint inzwischen das Gros der Bevölkerung verstanden zu haben. Und mit der Frage “Was kann ich tun?” wird der vorher eher unsexy Begriff der Nachhaltigkeit auf einmal zum Trend und Umweltschutz zur Bewegung.

Auch ich freue mich, wenn ich faire Produkte kaufen kann. Ich fühle mich gut dabei, mit gar nicht so viel Aufwand meinen Beitrag zum großen gemeinsamen Ziel der Nachhaltigkeit zu leisten. Umso enttäuschter bin ich, wenn ich dann herausfinde, dass die Produkte, die ich da grad so stolz mit nach Hause geschleppt habe, gar nicht so nachhaltig sind, wie sie wirkten. Wenn die Marketingabteilung fleißiger ist, als die Abteilung für nachhaltige Unternehmensführung, lohnt sich die Frage zu stellen: Wie nachhaltig ist das als nachhaltig angepriesene Produkt in meinen Händen wirklich?

Von der Pflicht der Unternehmen transparent zu kommunizieren

Ich habe privat weder Zeit noch Lust, jedes einzelne Produkt bis auf die Unterhose auszuziehen, um es auf seine Nachhaltigkeit zu prüfen. Es ist auch nicht unsere Aufgabe als Konsument:innen eigeninitiativ in verborgenen Kisten der Unternehmen zu wühlen. Es ist stattdessen Aufgabe der Unternehmen, ihr Handeln transparent zu kommunizieren. Aufzuklären, wie zum Beispiel das Shampoo, die Schokolade oder das T-Shirt produziert wurde – über die Lieferkette hinweg. Dass eine transparente Kommunikation nicht nur Kür, sondern inzwischen auch Pflicht ist, zeigen aktuelle Regulierungen.

Durch neue Auflagen der Europäischen Union sollen zum Beispiel sogenannte „Green Claims“, also falsche Versprechen mit Bezug auf Nachhaltigkeit, reguliert werden. Ein entsprechendes Proposal wurde vor einigen Tagen veröffentlicht. Auch im Verbraucherschutz vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Verbraucherschutz und nukleare Sicherheit (BMUV) ist eine transparente Kommunikation für Unternehmen festgelegt. Konsument:innen sollen dadurch bei einem nachhaltigen Kaufverhalten unterstützt werden: „[…] Verbraucher:innen [sollten] beim Kauf von Produkten alle wichtigen Informationen vor Ort finden, um umweltfreundliche Entscheidungen treffen zu können.“ (BMUV)

Verspricht ein Unternehmen nachhaltiges Handeln ohne substantielle Aktivitäten in der Unternehmensführung und/oder Produktion, spricht man von „Greenwashing”.

Aber erstmal: Was ist Greenwashing genau?

Greenwashing ist eine Methode, bei der Organisationen Nachhaltigkeit als Verkaufsargument verwenden – ohne dass diese ihren eigenen nachhaltigen Prozess offenlegen oder gar tatsächlich nachhaltig handeln. Wenn ein Unternehmen also nach außen hin über PR und Marketing das eigene Image „vergrünt“, ohne dafür stichhaltige Nachweise zu liefern, betreibt es Greenwashing.

Generell lässt sich Greenwashing in fünf Arten unterscheiden:

1. Direktes Greenwashing: Unternehmen benutzen fälschlicherweise Wörter, wie eco-friendly, nachhaltig, recyclebar

2. Indirektes Greenwashing: Produkte werden im grünen Design vermarktet, um eine Assoziation zur Nachhaltigkeit zu schaffen

3. Inkognito Greenwashing: Unternehmen schaffen kleine Sub-Unternehmen mit nachhaltiger Ausrichtung, ohne den Bezug zur eigenen Marke klar herzustellen (bspw. Honest Tea von coca cola)

4. Additional Greenwashing: Unternehmen entwickeln zusätzlich zu ihren herkömmlichen Produkten eine (vermeintlich) nachhaltige Produktlinie, wie bspw. die H&M Conscious Line. Das Problem hier: Selbst, wenn diese zusätzliche Produktlinie nachhaltig ist, unterstützen Konsument:innen im Glauben an eine nachhaltige Unternehmensführung die Produkte mit, die keinerlei Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.

5. Politisches Greenwashing: Unternehmen nutzen soziale Medien, um sich bspw. für Klimaschutz oder gegen Rassismus zu positionieren. So posteten etliche Unternehmen z. Bsp. zu den Black-Lives-Matter-Protesten, produzierten aber gleichzeitig ihre Produkte zu unfairen Bedingungen, d.h. auf Kosten benachteiligter ethnischer Gruppen.

Oftmals betreiben Unternehmen aber auch unbewusstes Greenwashing. Aufgrund von unzureichendem Wissen zum Thema Nachhaltigkeit gehen sie davon aus, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen schon irgendwie nachhaltig sind. Dabei wird deutlich, dass nicht genügend Ressourcen investiert werden, die Verantwortlichen innerhalb eines Unternehmens ausreichend über die Komplexität von Nachhaltigkeit und entsprechende Unternehmensprozesse aus- oder fortzubilden.

Übrigens: Der Begriff des Greenwashings bezieht sich von seinem Ursprung her auf ökologische Aspekte, also „grüne“ Nachhaltigkeit. Oftmals agieren Unternehmen aber auch nicht nachhaltig im sozialen Sinne, also bspw. mit Blick auf Menschenrechte, faire Entlohnung, Diversity etc.

Wie Greenwashing erkennen und enttarnen?

Hilfsmittel Nummer 1: Ganz klar ein transparenter und ehrlicher Nachhaltigkeitsbericht.

Viele Unternehmen haben als Basis für ihre Kommunikation über Nachhaltigkeit einen Nachhaltigkeitsbericht. Die Anzahl ist nicht zuletzt seit Einführung der Berichtspflicht durch die Europäische Union im Jahr 2017 für große und ab 2024 mit Einführung der erweiterten CSR-Richtlinie auch für mittelgroße Unternehmen deutlich gestiegen (ja, manchmal hilft Regulatorik eben doch). Ein Nachhaltigkeitsbericht gibt Einblick in den Status Quo der Organisation, zeigt bestenfalls Lücken zu relevanten Themen für das entsprechende Unternehmen auf und beschreibt die Ziele für das eigene nachhaltige Handeln.

Aber mal Hand aufs Herz: Wer hat schon Zeit und Lust zum Beispiel im Supermarkt den Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens zu checken, dessen Produkt man gerade erwerben möchte?

Wir haben für euch eine Checkliste zusammengestellt, mit der ihr euch zukünftig besser orientieren und grüngewaschene Produkte einfacher enttarnen könnt:

  • Unkonkrete Begriffe auf Produkten: Schlagwörter, wie „natürlich“, „nachhaltig“, „partnerschaftlich“ etc. klingen erstmal nett, sagen aber ohne Nachweis von unabhängigen Stellen nichts über die tatsächliche Nachhaltigkeit aus. Begriffe wie „ökologisch“ und „biologisch“ sind hingegen gesetzlich geschützt und dürfen nur unter bestimmten Kriterien verwendet werden.
  • Versteckte Kompromisse: Es wird nur ein Aspekt des Produkts zur Nachhaltigkeit hervorgehoben, wie bspw. die neue Verpackung mit weniger Plastik. Das Produkt selbst bleibt umweltschädlich und die Konsument:innen werden von den tatsächlichen Auswirkungen abgelenkt.
  • Nicht einsehbare Richtlinien: Vorsicht ist geboten, wenn auf dem Produkt Hinweise fehlen und auch auf der Website die Richtlinien für nachhaltig produzierte Produkte und Rohstoffe nicht einsehbar sind.
  • Irrelevante, falsche oder markeneigene Labels: Siegel und Label suggerieren Authentizität, doch leider ist nicht jedes gleich aussagekräftig. Neben seriösen Zertifizierungen, gibt es auch irrelevante Labels mit undurchsichtigen Bewertungskriterien. Marken, wie Nestlé haben bspw. ihre eignen Labels. (Video: Labels als Greenwashing Scams)
  • Platzierung im Supermarkt: Hört sich verrückt an – funktioniert aber! Produkte, die kaum nachhaltig sind, wollen ein bisschen was vom Glanz der nachhaltigeren Produktsektion abhaben und werden einfach daneben gestellt.
  • Selbstverständliche Eigenschaften: Manche Produkte werben damit, dass sie frei von bestimmten Inhaltsstoffen sind. Oftmals sind diese Stoffe aber schon seit längerem verboten. So ist es bspw. seit 2011 in der EU verboten, den Stoff Bisphenol A (BPA) in der Produktion von Babyflaschen zu verwenden. Oftmals wird es aber heute noch zu Werbezwecken genutzt.

Darüber hinaus helfen neue Technologien zur Überprüfung von Nachhaltigkeit. So schießen immer mehr Start-ups aus dem Boden, die Big Data und KI einsetzen. Damit können bspw. Aufforstungsprojekte, wie Plant for the Planet, überprüft werden, indem Daten, wie Satellitenbilder, Drohnenbilder und Chemieproben aus gefällten Bäumen durch künstliche Intelligenz ausgewertet werden.

Durch Social Media können übrigens auch private Stimmen, d.h. losgelöst von Organisationsstrukturen, viel Reichweite erlangen, um die Greenwasher zu enttarnen.

Also lieber gar nicht kommunizieren, als in die Greenwashing-Falle zu tappen?

Wer jetzt das Fazit zieht, dass keine Kommunikation die bessere Kommunikation ist, irrt. Denn nachhaltiges Handeln – egal, wie sehr es noch in den Kinderschuhen steckt – gehört kommuniziert. Wenn wir unsere Zukunft nachhaltiger gestalten wollen (und vor allem in puncto Klimaschutz müssen), brauchen wir Mitstreiter:innen, die inspirieren und motivieren. Statt aber die eigenen ungenutzten Potenziale Nachhaltigkeit einfach unter den Teppich zu kehren, gehören genau diese auf den Tisch, wo sie alle sehen. Es ist gut und wichtig zu Schwächen, Herausforderungen und der „Luft nach oben“ zu stehen und einen Plan zu haben, wie damit umgegangen wird. Wir fordern und fördern also: Eine transparente Offenbarung des Status Quos. Einen Einblick in die selbstgesetzten Ziele. Und den offenen Dialog mit den Stakeholder-Gruppen.

Greenwashing vermeiden: Effiziente Nachhaltigkeitskommunikation als heiliger Gral

Fassen wir zusammen: Nachhaltige Fortschritte zu kommunizieren ist gut und wichtig, zu viel des Guten sowie Intransparenz kann jedoch schnell ins Greenwashing abrutschen. Es gilt also ehrlich und authentisch zu berichten.

Und wie gelingt das? Mit einer guten Nachhaltigkeitskommunikation.

Nachhaltigkeitskommunikation umfasst grundsätzlich die Kommunikation für und über Nachhaltigkeit sowohl nach innen als auch nach außen. Auch wenn es Teil der Unternehmenskommunikation ist, ist sie weitaus mehr als traditionelles Marketing und Pressearbeit. Es geht vorrangig weder um die Verbesserung des Images, noch darum Verkaufszahlen zu steigern (beides ist vielmehr ein nice to have). Mit der Nachhaltigkeitskommunikation wird das eigene Handeln hinterfragt, reflektiert und als Resultat die eigenen Stärken, Schwächen und Ziele transparent wiedergegeben. Wie schon im Prinzip des „Ehrbaren Kaufmanns“ wird die eigene Verantwortung in die Gesellschaft hineingetragen. Dabei sollten alle Stakeholder sowohl in der internen (also Mitarbeitende, Gremien, Lieferkette etc.) als auch in der externen Kommunikation (Kunden, Investoren etc.) eingebunden werden. Mit Zahlen und Fakten sollte offen umgegangen und nur verifizierte Labels eingebunden werden.

Now get your hands dirty

Zu Beginn des Artikels haben wir das Thema aus unserer persönlichen Sicht betrachtet und festgestellt, dass die Verantwortung nicht auf Konsument:innen abgewälzt werden kann. Es ist Aufgabe der Unternehmen, nachhaltiges Kaufverhalten durch tatsächlich nachhaltige Produkte und deren transparenter Kommunikation zu fördern. Zusammenfassend misst Nachhaltigkeitskommunikation also den Erfolg der Kommunikationsmaßnahmen und ihre Wirksamkeit unter Einbezug der angestrebten Nachhaltigkeitsentwicklungen.

Puhh! Jetzt mal kurz durchatmen. Nicht schlecht, wenn du bis hierhin gekommen bist, denn das hier ist kein leichtes Thema und macht als Unternehmen nicht immer Spaß. Wer beschäftigt sich schon gerne mit seinen eigenen Schwächen?

Um die Unternehmensvertreter:innen von euch mit eurer eigenen Nachhaltigkeitskommunikation ein bisschen voranzubringen, haben wir mit unserem Rapid Review einen Selbst-Check für Organisationen vorbereitet. Schickt uns einfach eine formlose Mail mit dem Betreff „Rapid Review: Nachhaltigkeitskommunikation“ und wir schicken euch den Selbst-Check inklusive Auswertung gratis zu:

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Wenn ihr mit eurem Ergebnis aus dem Rapid Review noch nicht so zufrieden seid – oder jetzt schon wisst „Da geht noch mehr“: Wir beraten euch gern zu möglichen Schritten und begleiten euch auch bei der Umsetzung.

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Quellen:

https://www.konsumentenschutz.ch/online-ratgeber/wie-erkenne-ich-greenwashing/  

https://www.bmuv.de/themen/verbraucherschutz-im-bmuv

https://www.csr-berichtspflicht.de/

https://unglobalcompact.org/

https://www.globalreporting.org/

https://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/insight-innovation-mit-algorithmen-und-drohnen-gegen-greenwashing-hightech-start-ups-enttarnen-umweltsuender/27219534.html?ticket=ST-13579468-Kkw1bYdTThU099Sejc0i-ap6

https://www.rifs-potsdam.de/de/news/wissenschaft-und-wirtschaft-gemeinsam-fuer-nachhaltigkeit

https://www.globalcitizen.org/en/content/greenwashing-what-is-it-and-how-to-avoid-it/

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